„Wir könnten noch viel mehr Wunschgroßeltern brauchen“
Der Großelterndienst der Senioren- und Familienselbsthilfe (SEFA) e. V. setzt sich seit über 20 Jahren dafür ein, Heranwachsende und ihre Familien zu unterstützen.
Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. So lautet ein afrikanisches Sprichwort und die meisten würden diesem Satz wohl instinktiv zustimmen. Er bedeutet, dass die Erziehung und Entwicklung von Kindern nicht nur in der Verantwortung der Eltern liegen, sondern dass auch die sie umgebenden Gemeinschaften – Freunde, Nachbarn, Vereine und andere – eine wichtige Rolle spielen. Um zu reifen, zu lernen und in ihrer Umgebung zu gedeihen, profitieren Kinder von vielfältiger Unterstützung und den Erfahrungen vieler Menschen. Persönliche Netzwerke und Gemeinschaften tragen dazu bei, Kinder auf stabile Weise in eine vielfältige Welt einzuführen.
Die Realität heute entspricht diesem Ideal oft nicht. Die Kleinfamilie ist der Standard, ob mit einem, zwei oder auch drei und mehr Kindern. Alleinerziehende Elternteile sind weiterhin keine Seltenheit. Nicht zuletzt deswegen werden schon Kleinkinder mitunter vor dem Bildschirm „geparkt“. Damit ihre Eltern zwischen beruflichem Stress und den Alltagsroutinen sich kurz etwas Luft und eine Pause verschaffen können.
Der Großelterndienst der Senioren- und Familienselbsthilfe (SEFA) e. V. mit Sitz in der Wittenberger Straße setzt sich seit über 20 Jahren dafür ein, Heranwachsende ganz im Sinne des eingangs genannten Sprichworts zu unterstützen. Frauen und Männer ab 50 Jahren übernehmen hier die Rolle einer Wunschoma oder eines Wunschopas, wenn Kindern leibliche Großeltern in der Nähe fehlen. Seit 2002 wurden so an mehr als 300 Familien und für rund 500 Kinder in ganz Leipzig ehrenamtliche Wunschgroßeltern in der Nähe vermittelt – für in der Regel mehrere Jahre. Für diese Arbeit wurde der Großelterndienst zuletzt im Frühjahr 2024 im Rahmen des Generationenpreises der Sächsischen Staatskanzlei geehrt.

Eine der Wunschomas ist Karla Töpfer. Seit einigen Jahren leitet die Eutritzscherin die Arbeit der SEFA als Vorsitzende. Ihre eigenen Enkel wohnen in Hamburg und Tirol, viel zu weit weg für häufige Besuche im Alltag. Mittlerweile ist sie aber sogar schon zweifache Wunschoma. Pascal, ihr erster Wunschenkel, ist seit einigen Jahren im Erwachsenenalter angekommen. Kontakt haben sie aber weiterhin regelmäßig. Die vielen schönen Stunden, die sie gemeinsam auf Spielplätzen, im Zoo oder anderswo gemeinsam verbracht haben, wird Pascal nie vergessen. Und Karla Töpfer freut sich immer, wenn sie heute ab und zu den jungen Mann sieht, an den sie unter anderem einiges von ihrer Lebenserfahrung weitergeben konnte.
Und auch wenn Pascal mal eines von den 500 Kindern war, die so eine Wunschoma bekommen haben – solch ein Glück ist leider eine Seltenheit. Denn derzeit warten bei der SEFA über 200 Familien darauf, einen Anruf von einer der Ehrenamtlichen beim Großelterndienst zu erhalten, dass eine Wunschoma oder ein Wunschopa sie kennenlernen möchte. „Allein in den letzten zwölf Monaten haben sich mehr als fünf Dutzend Familien an uns mit der Bitte um Vermittlung von Wunschgroßeltern gewandt“, sagt Karla Töpfer. „Die Nachfrage nach einer solchen Begleitung ist damit auf Vor-Pandemie-Niveau zurückgekehrt, doch bei der Zahl der aktiven Vermittlungen sind wir vom Vor-Corona-Stand noch weit entfernt“, so Töpfer.
Aber Leipzig ist nicht nur eine große Stadt mit vielen Familien und Kindern, sondern ebenfalls mit immer mehr Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Karla Töpfer hofft, dass sich deshalb auch hier im Stadtteil noch einige Wunschgroßeltern finden lassen. Im Namen aller wartenden Kinder und ihrer Familien dankt sie zugleich herzlich allen Leserinnen und Lesern für die Mithilfe bei der Suche. Denn es braucht eben auch heute noch meistens ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.
Mehr Informationen über den Großelterndienst finden Sie auf der Website sefa-leipzig.de. Telefonisch erreichen Sie das SEFA-Team Dienstag und Donnerstag zwischen 10 und 14 unter 341 – 56 10 93 16.